Sanktionen wegbloggen

by - Oktober 06, 2009

"Das können die doch nicht machen. Ein bisschen was MÜSSEN die dir doch zahlen!"

Wie oft habe ich alleine unter meinem Bekanntenkreis diese oder eine ähnliche Aussage gehört, wenn es um das Thema Hartz4, ALG, Leistungen und Sanktionen geht. Hier eine allumfassende Kollektivantwort für alle, denen obiger Satz so oder in ähnlicher Form auch schonmal über die Lippen kam bzw. in Gedanken herumirrt:

"Müssen sie, ja. Tun sie aber nicht."

Und selbst das "müssen" ist eher moralisch denn gesetzlich zu verstehen, da es z.B. allein im letzten Jahr knapp 100.000 Mal dazu kam, dass unter 25-jährigen (der Rest nicht mitgezählt!) die "Leistungen" um 100% gekürzt wurden. Und das völlig legal. Gründe dafür sind vermeintliche oder tatsächliche Verstösse gegen die Auflagen.

Kleine Anekdote aus meinem Privatleben ... ein sehr guter Freund wurde zu einem "Bewerbungskurs" über 2 Wochen verdonnert. Wenn er keine Arbeit hat, kann es ja nur daran liegen, dass er zu blöd ist, sich korrekt zu bewerben. Thema: Wie bewerbe ich mich richtig im Internet. Eigentlich wollte er gar nicht hingehen, aber da er weiß, dass er netzversiert ist, wollte er sich das bisschen Spaß gönnen und nahm teil. Ende vom Lied waren u.a.:

  • Teilnehmer, die eigentlich schon einen Job hatten
  • Teilnehmer, die so wenig Deutsch konnten, dass sie ihre Enkel als Dolmetscher mitbringen mussten
  • Fahrtkostenanträge, die man auch ausfüllen musste, wenn man gar nicht wollte (weil man 20 m neben dem Kursgebäude wohnt und eh nichts erhalten würde)
  • Kursleiter, die komplett im falschen Kurs waren, währenddessen die echte Leiterin nicht auffindbar war
  • die "echte" Kursleiterin, die (sic - nicht übertrieben) nicht wusste, wo sie einen URL einzugeben hatte und nach eigener Aussage nur mit Rechnern arbeiten konnte, auf denen Google installiert ist (aber den Teilnehmern zeigen soll, wie man sich im Netz richtig bewirbt)

So, und wenn man nun z B. an diesen hilfreichen Kursen nicht teilnimmt, bekommt man Saktionen auferlegt = Das Geld, was schon am Existenzminimum orientiert ist, wird nun NOCH mehr gekürzt. Wenn der normale Regelsatz bereits das staatlich festgelegte Existenzminimum ist, wo ist man dann, wenn es noch weniger ist? Bei 100%-iger Kürzung ist man dann nicht nur zum Verhungern verurteilt (es sei denn Bekannte, Freunde,Tafeln oder Volksküchen springen ein) , sondern verliert ebenfalls Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung sowie die Kosten für Unterkunft. Ohne Dach, ohne Gesundheitsversorgung und ohne Essen - das nennt der Staat noch menschenwürdig?

Ich mache mit bei der Initiative Sanktionen wegbloggen, um gemeinsam mit anderen solidarischen Blogs eine unter vielen Fehlentwicklungen in der Gesellschaft zu korrigieren.

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3 Kommentare

  1. Servus,

    eine Bekannte von mir war in genau der selben Situation, Sie war arbeitslos und das Arbeitsamt verordnete die Teilnahme an einem solchen "Aufbaukurs".

    Die Umstände innerhalb des Kurses glichen den von dir beschriebenen, andere Teilnehmer sprachen weder ein Wort deutsch, noch wussten Sie, wie man eine Maus verwendet, oder hatten das Wort "Excel" schon mal gehört. Das Geld, welches zum Veranstalten dieses Kurses aufgewendet wurde, hätte man den Teilnehmern auch direkt auszahlen können, das hätte mehr Sinn gehabt...

    Das ist das Problem, wenn nur ein Paar Menschen mit etwas (nur ETWAS!) gesundem Menschenverstand unser, ich nenne es jetzt einfach mal, "System" anschauen würden, wäre alles TOP. Menschenverstand ist wohl gerade aus...

    FLAGSHiP

    J.H.

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  2. Hey,
    jetzt muss ich auch mal meinen Senf dazu geben!

    Ich wurde (durch Personalabbau in der Firma) arbeitslos. Monatelang war ich beim Arbeitsamt und habe meine Bewerbungen + Absagen vorgelegt. Da aber zu der Zeit der Arbeitsmarkt für Fachinformatiker - Systemintegration bei uns in der Umgebung nicht der Knaller war, waren dies nicht besonders viele!
    Von mal zu mal wurde die Mitarbeiterin der Agentur unfreundlicher und warf mir vor, das ich mich ja gar nicht auf alle Stellen bewerben würde. Daraufhin musste ich ihr lang und breit erklären das ich als Fachinformatiker - Systemintegration keinen Plan von Anwendungsentwicklung habe und mich deshalb auch gar nicht auf Anwendungsentwickler-Stellen bewerben kann! Sie hat es bis heute nicht begriffen......

    Vielleicht war der Streit oder Ihr mangelndes Verständnis für meinen Beruf ("Aber wieso denn nicht? Das ist doch auch Fachinformatiker! Das ist doch dasselbe!") der Grund das ich dann auch zwangsweise in einen solchen Kurs ("Reaktivierung & Bewerbung" oder so...) gesetzt wurde! Ich kam mir da schon etwas dumm vor. Da ich ja eigentlich nicht "reaktiviert" werden musste, sondern einfach keine Stellen da waren... Aber was solls, ich musste hin!

    Am ersten Tag mussten wir unsere bisherigen Bewerbungen vorzeigen. Die Dozentin sah sich meine Bewerbung an, änderte nur den Werdegang im Lebenslauf (Früher war Schule oben, heute unten oder so....) und nahm von dort an MEINE BEWERBUNG ALS MUSTER FÜR DIE ANDEREN!!!!!!
    Sprich: Meine Bewerbung war perfekt!
    Und nicht nur das:
    Da die Dozentin sich nicht so ganz in Word auskannte(rechtsbündig? Was ist das? Ich mache immer leerzeichen bis ans Ende der Zeile ^^), musste ich als Fachkundiger schließlich noch die anderen im Kurs INKL. DOZENTIN in Word einweisen und instruieren!

    D.h. im Endeffekt habe ich den Kurs zur hälfte geleitet!!!!

    Als Teilnehmer hatte ich dort laut Dozentin nämlich eigentlich gar nichts verloren! Warum die "Agentur gegen Arbeit" mich dort hingeschickt hat, konnte sie sich jedenfalls nicht erklären.
    Es gab wahrscheinlich nur einen Grund für meine Teilnahme: Solange ich im Kurs war, stand ich zumindest nicht in der Statistik.....

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  3. Servus,

    @dm4n, bin selber FISI, kann deine Situation also gut nachvollziehen :D

    Wieder meine Rede, wenn in den wichtigen Positionen nur einige Leute mit Hirn sitzen würden, wäre alles TOP.

    FLAGSHiP

    J.H.

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